Der Herbst ist da. In seiner vollen Pracht und farbigen Schönheit präsentiert er sich uns seit einigen Wochen. Doch leider bringt der Kaukasus in dieser wunderhübschen Jahreszeit auch viel Unangenehmes für Draussenlebende mit sich: häufige, heftige Gewitter und unerbittlich sinkende Temperaturen. So sehr wir dieses unbeschreiblich schöne Land schätzen, der dauerhafte Aufenthalt auf 1500-2500 Höhenmetern ist für uns seit September eine frische Herausforderung.
Und ob die Unmengen an Zecken hier ein ganzjähriges Phänomen sind oder wir auch diesbezüglich eine eher ungeeignete Zeit erwischt haben, fanden wir bisher noch nicht heraus. Auf jeden Fall kommen an Tagen, an denen wir viel Dickicht und hohes Gras zu überwinden haben, schon mal 23 Zecken zusammen.
Der Ekelfaktor ist und bleibt zwar hoch, aber der "Therapie-Effekt" ist trotz allem nicht zu unterschätzen.
Sei es meine Angst vor Zecken oder Caros Angst vor Spinnen und Hunden, die Gelassenheit, die wir beide im Laufe der letzten zwei Jahre entwickeln durften, ist eindrucksvoll. Noch vor einem Jahr wurde Caro nervös wenn wir auf der Wanderkarte einen möglichen Bauernhof mit möglichem Bauernhund ausmachen konnten. Gibt es nicht vielleicht einen anderen Weg? Können wir die Situation nicht vermeiden? Ja, wir sind tatsächlich einmal fast 20 Kilometer zurückgewandert, um einem Bauerhof mit bellendem Hund auszuweichen.
Heute werden so ziemlich alle Hunde - Bauernhunde, Hirtenhunde, Strassenhunde - von Caro mit einem Lächeln begrüsst und geknuddelt. Auch wenn natürlich nach wie vor eine gehörige Portion Respekt in ihr steckt, kann sie mittlerweile sehr gelassen mit diesen Begegnungen umgehen.
Genauso können wir inzwischen in aller Ruhe kilometerweit durch Spinnweben wandern, was zu Beginn der Reise fast undenkbar gewesen wäre oder zumindest permanent von Caros "uuuuäääähhh" begleitet wurde. Auch hier sind weder Angst noch Ekel komplett überwunden, aber durch das Akzeptieren wie es ist und das Annehmen des Lebens wie es sich in dem Moment halt gerade zeigen will, entwickelt sich nach und nach ein unglaublich wertvoller Gleichmut - selbst wenn wir uns manchmal wie in einem Spinnenkokon fühlen.
Bei mir zeigte und zeigt sich dieser Prozess bei anderen Themen wie beispielsweise bei den bereits erwähnten Zecken. Nach so vielen Kilometern in Zeckengebieten konnte sich mein Geist tatsächlich beruhigen und muss nicht jedes Mal wenn ein solcher Parasit nur am Hosenbein herumkrabbelt in Panik verfallen und sich stundenlang Gedanken über eine allfällige Borreliose- oder FSME-Infektion machen. Ich fürchte mich immer noch davor, pflege aber heute einen viel viel entspannteren Umgang mit Zecken.
Diesen Prozess der zunehmenden Gelassenheit stellte ich zudem in einem ganz anderen Zusammenhang fest. Während den ersten Monaten der Reise war ich abends nur vollkommen zufrieden, wenn wir einen Zeltplatz mit Wasser gefunden haben. War dieser Umstand nicht gegeben, was natürlich oft vorkam, trat immer ein innerer Widerstand auf, der mich frustriert stimmte. Irgendwann stellte ich fest, dass meine Unzufriedenheit ausschliesslich aufgrund meiner falschen, unrealistischen Erwartungen und meines darauffolgenden inneren Widerstands, aber keineswegs aufgrund des fehlenden Wasser entstand. Ich wollte es anders haben als es gerade war, wollte das Leben so wie es sich zeigte - ohne Wasser direkt beim Zeltplatz - nicht akzeptieren und machte mich damit unglücklich.
Wir sind unfassbar dankbar dafür, dass wir uns immer weiter entwickeln dürfen, dass wir in kleinen Schritten stets akzeptierender und annehmender werden und wir uns einfach auch an gewisse Umstände gewöhnen können. Doch trotz allem wird eines für uns wohl immer ein Ding der Unmöglichkeit bleiben: die Kälte-Adaption. Wir sind das lebende Beispiel dafür, dass man keineswegs kältetoleranter wird indem man sich regelmässig tiefen Temperaturen aussetzt.
Vor zwei Wochen lernten wir zwei Weitwanderer aus Deutschland kennen, wanderten einen Tag mit ihnen und zelteten gemeinsam an einem Bergsee. Sascha hüpfte ernsthaft bei Lufttemperaturen von 8 Grad in den noch viel kälteren See während wir zwei in Vollmontur inkl. Mütze nur staunend und ungläubig zugucken konnten. Sie erzählten uns, dass sie demnächst Usbekistan, Kasachstan und Kirgisistan bewandern. Auf meine Feststellung, dass es dort ja noch kälter sein wird, erwiderten sie mit leuchtenden Augen "jaaa, ist das nicht toll?!".
Tja, so sind wir halt alle anders...
Weitere Bilder siehe Galerie
Schöne Bilder!
In diesem Jahr sind die Zecken offensichtlich nicht nur in Europa eine Plage… Ich liess mich vor 20 Jahren impfen. Seither hatte ich keine einzige Zecke mehr…
Der „Badende“ machte vielleicht im Winter Militär? Wenn man bei Kälte in kaltem Wasser badet, anschliessend trockene, warme Kleidung anzieht und womöglich grad in den Schlafsack kriecht, hat man wunderbar warm! Da habe ich Erfahrung (Militär, Anden und Himalaya).